Entgelttransparenz in der Praxis – Welche Auskunftspflichten haben Arbeitgeber/innen?

Am 6. Juni 2023 ist die europäische Entgelttransparenzrichtlinie (EU/2023/970) in Kraft getreten. Mit dieser Richtlinie soll erreicht werden, dass gleiche bzw. gleichwertige Arbeit auch gleich bezahlt wird. Die Richtlinie gibt Arbeitnehmer/innen Auskunftsansprüche an die Hand, erlegt Arbeitgeber/innen Berichts- und Auskunftspflichten auf und regelt die Rechtsfolgen von Verstößen.

Entwicklung und Hintergrund

Der Gender Pay Gap, der die Differenz zwischen den Verdiensten von Männern und Frauen pro Stunde berechnet, liegt bei 18 % (unbereinigt) bzw. 6 % (bereinigt). Der Gender Gap Arbeitsmarkt liegt bei  39 %. Die Unterschiede zwischen der Vergütung der verschiedenen Geschlechter ist nach wie vor erheblich. Dabei ist der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ nicht neu. Er wurde bereits 1957 in den Europäischen Verträgen (Art. 157 AEUV) verankert, um Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern zu sichern – mit fehlendem Impact.

Seit 2006 hat die EU Richtlinien zur Geschlechtergleichstellung in der Arbeitswelt konsolidiert. Es folgten Ergänzungen durch die Empfehlung der Europäischen Kommission zur Entgelttransparenz (2014/145/EU). Erst 2019 forderte der Rat der Europäischen Union die Kommission auf, konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der beabsichtigten Lohntransparenz zu entwickeln und festzulegen, woraufhin in den Jahren 2020 bis 2023 Strategien, Aktionspläne und schließlich Gesetzesvorlagen vorgelegt wurden, bis der Rat der Europäischen Union den Entwurf der Entgelttransparenz-Richtlinie nach Zustimmung durch das Europäische Parlament am 24. April 2023 angenommen hat. Am 6. Juni 2023 ist die Richtlinie in Kraft getreten.

Für die EU-Staaten gilt gemäß Art. 34 Abs. 1 der Richtlinie nun eine dreijährige Umsetzungsfrist. Das bedeutet, dass die Mitgliedstaaten bis zum 7. Juni 2026 alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht umgesetzt haben müssen; somit ist das Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz (EntgTranspG) durch den deutschen Gesetzgeber entsprechend der Richtlinie zu überarbeiten.

Wesentliche Inhalte der Richtlinie und ihre Bedeutung für die Praxis

Die Inhalte der Richtlinie geben vor, inwiefern das Entgelttransparenzgesetz als bereits bestehendes Regelungswerk zu diesem Themenkomplex zu ändern ist. Die Änderung des Gesetzes zur Entgelttransparenz hat sodann unmittelbare Auswirkungen auf die Praxis:

Mit der Richtlinie soll die mangelnde Transparenz in Entgeltsystemen, Unsicherheiten beim Begriff der „gleichwertigen Arbeit“ und Verfahrenshindernisse für Diskriminierungsopfer beseitigt werden. Mit der zu schaffenden Transparenz sollen geschlechtsspezifische Ungleichbehandlungen in Vergütungsgrundsätzen sichtbar gemacht und Möglichkeiten zur Durchsetzung des Rechts auf gleichen Lohn bei gleicher/gleichwertiger Arbeit geschaffen werden. Die Richtlinie sieht Auskunftsansprüche für Mitarbeiter/innen und Bewerber/innen mit entsprechenden Auskunftspflichten von Arbeitgeber/innen vor; sie enthält darüber hinaus Regelungen zur regelmäßigen Berichterstattung durch Arbeitgeber/innen und legt die Rechtsfolgen bei Verstößen fest.

Auskunftsansprüche von Bewerber/innen

Bereits Bewerber/innen haben das Recht, über das Einstiegsgehalt oder dessen Spanne informiert zu werden, im besten Fall bereits in der Stellenausschreibung. Hingegen ist dem Arbeitgeber/der Arbeitgeberin untersagt, nach dem bisherigen Einkommen des Bewerbers/der Bewerberin zu fragen. Basis für die Gehaltsverhandlung sollen demnach nur die im Unternehmen bestehenden Gehaltsstrukturen sein.

Auskunftsansprüche von Beschäftigten

Im laufenden Arbeitsverhältnis sind Arbeitgeber/innen verpflichtet, den Beschäftigten Auskunft über die Kriterien zur Festlegung von Entgelt und dessen Entwicklung (Stufenaufstieg, Gehaltserhöhungen etc.) zu erteilen. Zudem können Beschäftigte Auskunft über ihr Einkommen sowie die durchschnittlichen Gehälter in ihrem Unternehmen, differenziert nach Geschlecht, verlangen.

Berichtspflichten der Arbeitgeber/innen

Für größere Unternehmen mit mindestens 100 Beschäftigten gilt über die Auskunftspflicht hinaus eine Pflicht zur Berichterstattung über geschlechtsspezifische Lohngefälle.

Pflicht zur Herstellung einer Entgeltgerechtigkeit

Wenn ein Lohngefälle von mindestens 5 Prozent besteht und dieses Gefälle nicht durch geschlechtsneutrale Faktoren gerechtfertigt ist, muss der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin unter Einbeziehung von Arbeitnehmer/innenvertretern geeignete Maßnahmen ausarbeiten und umsetzen, mit denen das Gefälle behoben werden kann.

Hinweis zu den Arbeitnehmer/innenrechten

Ob Sie als Arbeitnehmer/in auf eine ausgeschriebene Stelle bewerben oder im laufenden Arbeitsverhältnis stehen – Sie erhalten mit der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht weitreichende Auskunftsansprüche gegen den (potentiellen) Arbeitgeber/die Arbeitgeberin über Gehaltsstrukturen, Einstiegsgehälter, Gehaltsentwicklungen etc. Mit diesen Ansprüchen sind unsichere und intransparente Verhandlungen zum Thema Gehalt Vergangenheit. Und damit diese Ansprüche nicht bloß symbolischen Charakter haben, enthält die Richtlinie Regelungen zur Sanktionierung von Arbeitgeber/innen, die gegen ihre Auskunfts- und Berichtspflichten verstoßen und das Diskriminierungsverbot in Bezug auf das Entgelt missachten. So gibt Ihnen die Richtlinie einen Schadensersatzanspruch an die Hand und kehrt für die Durchsetzung dieses Schadensersatzanspruches auch noch die Beweislast um. Das bedeutet, dass entgegen der normalen prozessualen Spielregeln nicht Sie als Anspruchssteller/in beweisen müssen, dass die Voraussetzungen für den Anspruch vorliegen, sondern dass hier der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin die Beweislast dafür trägt, dass keine Diskriminierung in Bezug auf Entgelt vorliegt. Darüber hinaus können Bußgelder für Verstöße gegen die geregelten Pflichten verhängt werden.

Da die EU-Richtlinie nicht unmittelbar gilt, sondern erst in nationales Recht umgesetzt werden muss – hier durch Anpassung des Entgelttransparenzgesetzes – bleibt den Arbeitgeber/innen noch bis zur Umsetzung der Richtlinie Zeit, bis sie ihre Pflichten, die sich aus dieser Richtlinie bzw. den geänderten Gesetzesvorschriften erfüllen müssen. Der Gesetzgeber hat längstens bis zum 7. Juni 2026 Zeit für die Umsetzung; er kann diese aber jederzeit, also auch vor Ablauf der Frist vollziehen. Eine entsprechende Mitteilung zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Entgelttransparenz bleibt abzuwarten.

Hinweis zu den Arbeitgeber/innenpflichten

Auch wenn die Richtlinie noch nicht in deutsches Recht umgesetzt ist, sollten Sie als Arbeitgeber/in bereits jetzt prüfen, ob Ihre Vergütungssysteme objektiv und diskriminierungsfrei sind. Angesichts der aktuellen Rechtsprechung des BAG, die bei Indizien für geschlechtsbezogene Diskriminierung die Beweislast dem Arbeitgeber auferlegt, ist es sinnvoll, spätestens jetzt die internen Vergütungssysteme an die Kriterien der Richtlinie anzupassen. Auch die Prozesse zur erweiterten Auskunftserteilung sollten überprüft werden.

Die Richtlinie wird langfristig zu einer stärkeren staatlichen Kontrolle der Entgeltsysteme führen. Es bleibt abzuwarten, wie die Aufsichtsbehörden diese neuen Vorgaben in der Praxis umsetzen und ob der deutsche Gesetzgeber über die Richtlinie hinausgehende Regelungen trifft.

Janina Grothe

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Tel. +49 4348 – 210 98 90
kontakt@anwaltskanzlei-grothe.de