Ein Anti-Gewalt-Training eines Elternteils kann gerichtlich angeordnet werden, sofern das Kindeswohl gefährdet ist. Eine zwangsweise Durchsetzung des Trainings ist rechtlich jedoch nicht möglich.
Das Kammergericht Berlin hat sich in seinem Beschluss vom 20.08.2024 (Az. 17 WF 87/24) mit der Frage befasst, ob ein Vater gezwungen werden kann, an einem Anti-Gewalt-Training teilzunehmen, das zum Schutz des Kindeswohls angeordnet wurde. Das Gericht entschied, dass die Teilnahme an solchen Programmen, die grundsätzlich im Rahmen familienrechtlicher Verfahren angeordnet werden können, nicht durch Zwangsmittel durchgesetzt werden darf. Der rechtliche Hintergrund dieser Entscheidung findet sich in § 156 Abs. 1 Satz 5 des Familienverfahrensgesetzes (FamFG), der besagt, dass Beratungs- und Therapieauflagen im Zusammenhang mit familiengerichtlichen Verfahren nicht mittels Zwang durchgesetzt werden dürfen.
Der Fall
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall kam es wiederholt zu körperlicher Gewalt des Vaters zulasten der Mutter im Beisein der Kinder. Das Amtsgericht Berlin Berlin-Tempelhof-Kreuzberg hatte dem Vater aus diesem Grund und zum Schutz des Kindeswohls ein neunmonatiges Anti-Gewalt-Training auferlegt. Entgegen dieser Auflage nahm der Vater zwar an den Vorgesprächen, nicht aber an dem Training teil. Der Vater begründete seine Weigerung an der Teilnahme damit, dass die Verantwortung für seine Wutausbrüche bei der Mutter der gemeinsamen Kinder läge, ohne deren Provokation es auch nicht zu seinem aggressiven Verhalten kommen würde. Die entsprechende Beratungsstelle stellte im Rahmen der Vorgespräche fest, dass dem Vater die erforderliche Einsicht und die Bereitschaft zur Verhaltensänderung fehlten.
Das Amtsgericht verhängte daraufhin ein Zwangsgeld in Höhe von 500 €, ersatzweise Zwangshaft, um den Vater zur Teilnahme an dem auferlegten Anti-Gewalt-Training zu bewegen.
Die hiergegen durch den Vater eingelegte Beschwerde hatte Erfolg. Das zuständige Kammergericht Berlin hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf und begründete dies unter anderem mit dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Vaters.
Die Entscheidung
Das Kammergericht führte in den Entscheidungsgründen aus, dass die Erzwingung einer Teilnahme an einer Maßnahme wie dem Anti-Gewalt-Training einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Vaters darstellen würde. Außerdem stünde die erzwungene Teilnahme dem Zweck des Trainings entgegen. Um insoweit den gewünschten Effekt der Verhaltensänderung zu erzielen sei ein Mindestmaß an Einsicht und Mitwirkung am Training erforderlich. Damit betonte das Gericht die Bedeutung von Eigeninitiative und Freiwilligkeit bei der Teilnahme an beratenden Maßnahmen. Im Rahmen von Sorge- oder Umgangsregelungen können gemäß § 1684 Abs. 3 BGB und § 1666 BGB Maßnahmen zum Schutz des Kindeswohls angeordnet werden. Dazu gehört unter anderem die Anordnung von Beratungs- oder Therapieangeboten. Die Durchsetzung solcher Anordnungen stößt jedoch an ihre Grenzen, wenn es um den Schutz von Grundrechten wie dem Persönlichkeitsrecht gehe. Zu beachten sei, dass Auflagen bzw. Gebote wie die Teilnahme an einem Anti-Gewalt-Training auf die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abzielen, um einen schwereren Eingriff in das Sorge- und Umgangsrecht zu vermeiden.
Fazit und Hinweis für die Praxis
Zusammenfassend zeigt der Beschluss, dass durchaus Maßnahmen zur Sicherung des Kindeswohlschutzes ergriffen werden können. Zwischen dem Schutz des Kindeswohls und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Eltern ist hierbei sorgfältig abzuwägen. Die Entscheidung des Kammergerichts betont, dass das Ziel, das Kindeswohl zu schützen, nicht durch die zwangsweise Durchsetzung von Beratungsauflagen erreicht werden kann, sondern vielmehr durch Einsicht und freiwillige Teilnahme der Betroffenen. Hierin liegt aber keineswegs ein Freibrief dafür, sich den grundlegenden Pflichten im Zusammenhang mit dem Umgang zu entziehen. Vielmehr hat das Kammergericht klargestellt, dass weitergehende Sorgerechtsmaßnahmen und Umgangsbeschränkungen zu prüfen seien. Soweit sich ein Elternteil also gerichtlichen Anordnungen und Auflagen entzieht, riskiert er weitergehende Maßnahmen bis hin zur Entziehung des Umgangsrechts.